Über mich – Teil 1
Eine fast wahre Geschichte

Als ich am 16. August auf die Welt kam, war gerade mal wieder niemand zu Hause. Mein Vater war auf der Arbeit und meine Mutter war weit und breit nicht zu sehen. Dafür fand ich einen Zettel auf dem Küchentisch: “Deine Milch steht im Kühlschrank, auf dem Herd ist auch noch Suppe. Bin einkaufen, ….. in Liebe … Mutti.”
Tja, da stand ich nun, von der großen Welt keinen Plan und zur Zeit ganz alleine. Zu allem Übel klingelte es jetzt auch noch an der Tür. Als ich öffnete stand, mit einem fast durchsichtigen Nichts bekleidet, die Frau unseres Nachbarn vor mir. Sie deutete mit einem Zwinkern im rechten Auge auf die sich in Ihrer linken Hand befindlichen Tasse und fragte: “Na Kleiner, keiner zu Hause? Vielleicht könntest du mir ja weiterhelfen, ich bräuchte etwas Zucker. ”Ohje, dachte ich mir, jetzt haste gleich mal zwei Probleme. Das einfachere wäre das mit dem Zucker. Lange Rede, kurzer Sinn: Die Nachbarin kommt seither regelmäßig zum Zucker holen, aber immer nur wenn Vati arbeiten und Mutti einkaufen ist. Vielleicht lag es daran, dass ich damals schon gut aussah.
Vier Jahre später schien ich unserer Nachbarin nicht mehr auszureichen, denn meine Mutter kam irgendwann mir einem Brüderchen vom Einkaufen zurück. Das mir das überhaupt nicht in den Kram passte, weiß meine Mutter heute noch zu berichten: “Du wolltest deinen Bruder Matthias damals immer verkaufen!” Zum Glück hat Sie nie bemerkt, wieso ich das wollte. Ich war nun mal damals schon egoistisch und materialistisch eingestellt.
Im zarten Alter von 4 1/2 Jahren, meine Mutter schickte mich zum Milch holen (…….ja, damals gab es noch diese Milchgeschäfte, wo man mit einer verbeulten Blechkanne Milch holen konnte…….), habe ich vermutlich schon den Grundstein zu meiner beruflichen Laufbahn gelegt. Nachdem ich nach einer Stunde immer noch nicht vom Milch holen zurück war, fing meine Mutter an sich Gedanken zu machen. Dazu sollte man vermutlich erwähnen, dass der Milchladen nur ca. 10 Minuten Fußweg (für kleine Kinderfüsse) weit entfernt war. Jetzt ratet mal, wo Klein-Ralphie war? Nein, nein, nicht bei der Nachbarin. Wenn ihr nicht drauf kommt, muss ich halt weiter erzählen. Meine Mutter wollte gerade aus dem Haus um nach mir zu suchen, da klingelte es an der Wohnungstür. Als sie öffnete stand die Frau Milchmann vor der Tür und sagte zu meiner Mutter: “Sie sollten mal ihren Sohn holen, der steht nämlich da unten auf der Kreuzung!” Vollkommen aufgelöst rannte meine Mutter die Treppen aus dem vierten Stock runter. Wir hatten damals eben nicht das Geld uns einen Aufzug zu leisten, arme Mutti. Als Sie dann auf der besagten Kreuzung ankam, fiel sie fast tot um: Klein-Ralphie stand in Bad Homburg auf der Kreuzung, mitten auf einem Kanaldeckel und regelte tatsächlich den fließenden Verkehr. Da ich ja damals schon nicht dumm war, hatte ich natürlich die Milchkanne neben mir stehen, damit sie mir niemand stehlen konnte. Naja, alleine die Erinnerung daran läßt heute noch auf meinem zarten “Bobbes” alle fünf Finger meiner Mutter erscheinen. Ein Gutes hatte das Ganze natürlich: Ich hatte mehr Zeit für unsere Nachbarin.
Da ich an dieser besagten Kreuzung scheinbar einen Narren gefressen hatte, beschlossen meine Eltern nach Frankfurt umzuziehen. Komischerweise kam dann auch bald schon wieder ein Brüderchen aus der Einkaufstasche gekrabbelt. Ich frage mich bis heute, wo meine Mutter so einkaufen gegangen ist. Bei dem Gedanken daran fällt mir doch immer das Lied von den Rodgau Monotones ein: “ ….Hertie heißt der Jäger….. “. Hmmm, ist ja auch egal, jetzt muss ich damit leben.
Wenn ich Euch jetzt erzähle, dass in meinem ersten Schulzeugnis stand: “Ralph-Peter träumt und ist unaufmerksam”, wird es wohl diejenigen unter Euch, dich mich kennen, nicht verwundern. Das wird wohl auch der Grund sein, wieso ich Schule sooooo gerne hatte, dass ich mich nicht davon losreissen konnte. Die Lehrer liebte ich genauso. Da es in der Nähe unserer Wohnung auch eine Schule gab, beschloss ich irgendwann einmal dorthin zu wechseln. Als es daran ging sich einen Beruf zu suchen, wanderte ich mit meiner Mutter zum Arbeitsamt, da ich ja nicht wusste, was ich wollte. Die nette Dame – nein es war nicht die Nachbarin – fragte mich, woran ich denn Interesse hätte. Da fiel mir, ausser der Nachbarin, nicht viel zu ein, dafür meiner Mutter aber. Sie meinte nur, ich würde immer alte Radios und anderes elektrisches Zeug auseinander nehmen, aber nie mehr zusammen bekommen. So kam ich zu meinem Beruf als Fernmeldeinstallateur bei einem sehr großen, weltweit vertretenen Elektrokonzern (nicht Telekom). Ich arbeitete dann 15 Jahre auf der Straße. Gott oh Gott, nicht als Strassenschwalbe, nein, ich habe Ampelanlagen gebaut. Seit 1994 befinde ich mich arbeitstechnisch auf dem Frankfurter Flughafen und habe dort das Vergnügen, mit vier weiteren Kollegen das Parksystem im Terminal 2 zu betreuen. Was man dort tagtäglich erlebt, würde vermutlich den Rahmen des Servers sprengen. Im Febraur 2012 wechselte ich dann die Seite des Tisches und wurde vom Auftragnehmer zum Auftraggeber des Parkierungssystems, was ich bis zum Renteneintritt 2022 beibehalten durfte. Nun sitze ich zu Hause, zocke an der PS3/PS4/PS5 und schwinge meinen Hintern 2 – 3 Mal die Woche ins Fitnessstudio oder auf eines meiner Fahrräder. Rentner haben einfach keine Zeit mehr!
Was an dieser Geschichte wahr und was davon fiktiv ist, überlasse ich Euch herauszufinden.